Ungewöhnlich und bemerkenswert

Neue Dokumentation über Ludwig II. im Bayerischen Fernsehen

Von Marcus Spangenberg

Als am 1. Januar vor zweihundert Jahren der Herold in den Straßen Münchens die Annahme des Königstitels durch den bisherigen Kurfürsten Maximilian IV. Joseph verkündete, wurde zugleich der Grundstein für ein staatliches Selbstbewußstein gelegt, das bis heute dem Bundesland Bayern und seinen Bewohnern eine vor allem außerhalb der weißblauen Grenzen wahrgenommene Charakteristik verlieh.
Selbstverständlich spielten weitere Ereignisse und Gegebenheiten eine Rolle, um den viel beschriebenen Eigensinn der Bayern zu formen, doch nichts bescherte mehr Glanz und Würde als der von Napoleons Gnaden verliehene Königstitel.

Das Bayerische Fernsehen hat nun aus Anlaß der Königreich-Werdung eine sechsteilige Dokumentation ins Programm genommen, die sich jedes einzelnen Herrschers im Königreich annimmt. Die Dokumentarfilmreihe „Königreich Bayern - Könige“ begann am 14. Januar mit dem Bürgerkönig Max I. Joseph (von Bernhard Graf) und endet am 18. Februar mit einem Porträt von Ludwig III. (von Heinrich Biron), mit dessen Sturz 1918 die Monarchie in Bayern ein jähes Ende fand.
Während die Könige zur Primetime (samstags um 20.15 Uhr) über die Bildschirme flimmern, gab es bereits vorweg (vom 2. bis 5. Januar 2006) vier bayerische Königinnen zur Teatime.
Welcher Sendeplatz angesichts der harten Fernsehkonkurrenz am Samstag abend geeigneter ist, um weiten Bevölkerungskreisen die Geschichte Bayerns näherzubringen, wird sich noch zeigen.

Die Dokumentationen haben den Anspruch, nicht einfach nur die Biographie der Herrscher abzuhandeln, sondern nach den Bildern zu fragen, die in den Jahren und Jahrzehnten nach 1918 von diesen entworfen wurden. Dies wird - gleich vorweg - in ganz unterschiedlicher Qualität erreicht. Im Beitrag von Steffi Illinger über König Ludwig II. (4. Februar) ist die Rezeption des Königs bis in unsere Tage Ausgangspunkt für das Drehbuch.

Allen Folgen von „Königreich Bayern - Könige“ ist eines gemeinsam: Die wissenschaftliche Fachberatung übernahm Hans-Michael Körner, Professor am Historischen Seminar der Ludwig-Maximilians-Universität München. Körner trat in den letzten Jahren verstärkt mit beachtenswerten Vorträgen über Ludwig II., vor allem zu seiner Rolle bei der Reichsgründung, in Erscheinung (z.B. jüngst im Pustet-Verlag erschienen ist ein Aufsatz in: Sigmund Bonk / Peter Schmid (Hrsg.), Königreich Bayern. Facetten bayerischer Geschichte 1806-1919, Regensburg 2005).
Jedem der sechs Autoren war zusätzlich ein namhafter Wissenschaftler beigestellt, so für den Ludwig II.-Beitrag wiederum Professor Körner.

„Am Anfang des Projektes war meine Skepsis groß, ob es gelingen kann, den politischen König in einem Film von 45 Minuten Länge umzusetzen“, bekannte Körner mit Blick auf den Beitrag über Ludwig II. Und damit sind wir bereits mittendrin im Besonderen dieser Dokumentation, die erstmalig die politischen Handlungen des Königs vor die klischeehaften Bilder in vielen Fernsehzuschauer-Köpfen setzt.
Zwar beginnt der mit einigen Spielszenen durchsetzte Film mit Ereignissen rund um die Festnahme Ludwigs im Juni 1886 auf Schloß Neuschwanstein, und er endet am Gedenkkreuz im Starnberger See, doch dazwischen wird ein faszinierendes Kaleidoskop geboten, das diese Dokumentation zum Besten macht, was bisher in diesem Medium erschien.

Steffi Illinger („Der Winterkönig Friedrich V. von der Pfalz“, „Unterwegs mit dem Nürnberger Christkind“, „Bayern und Frankreich“ etc.) zeigt, daß die Königskatastrophe von 1886 den Blick auf das politische Wirken und Denken des Monarchen verstellt und daß Ludwig II. eben mehr ist als der ewig jugendliche, strahlende „Held“ in Musicals mit Wagner-Begeisterung und Sissi-Liebe. In der Tat taucht weder die für die Entwicklung Ludwigs relativ unwichtige Elisabeth von Österreich, vulgo „Sissi“, auf, noch werden Spekulationen über den Grad der Homosexualität des Königs angestellt.
Das ist wohltuend und klärt den Blick auf die Zerrissenheit eines Königs, der Lohengrin sein wollte, doch de facto nur ein konstitutioneller Monarch eines Mittelstaates war.

Der Film von Steffi Illinger und dem Kameramann Boris Jacob ist auch in der Form – vor allem im Vergleich zu den anderen Beiträgen dieser Dokumentationsreihe – ungewöhnlich und bemerkenswert. Viele eher dunkle Szenen und das blaue Erscheinungsbild erzeugen eine nahezu mystische Bildsprache, die dem nicht gewöhnlichen König gerecht wird. Daß Harfenklänge zur musikalischen Untermalung herangezogen werden, und mal nicht das ewige Wagner-Einerlei, wenn es um Ludwig geht, hebt diesen Film wiederum von den bisher üblichen Produktionen ab.

Samstag, 4. Februar 2006, 20.15 – 21.00 Uhr, Bayerisches Fernsehen