„Die Loreley - ein deutscher Traum"

Koblenz, Mittelrhein-Museum

„Von Mainz aus benutzte ich die Eisenbahn und fuhr am linken Ufer des majestätischen Rheines herab nach Köln! – Zum ersten Male sah ich den Rhein in der Ruhe.- Welch ein wunderbarer Strom! – Herrlich sind seine Ufer! – ... Ich hatte ein Buch bei mir, welches die Rheinsagen enthält; und so ward es mir möglich, mich ganz in die Wunder des Mittelalters zu versetzen...“ schrieb Ludwig II. am 27. August 1864 an seine ehemalige Erzieherin, Sybilla von Leonrod, im Rückblick auf seine kurz vorher beendete Rheinreise. 
    
Während der oben beschriebenen Bahnfahrt hatte Ludwig auch einen direkten Blick auf den zu seiner Zeit bereits stark touristisch frequentierten Loreley-Felsen. Anzunehmen ist, daß spätestens im besagten Buch über die Rheinsagen Ludwig II. die Sage von der Jungfrau, die so manchen Schiffer verwirrt und ins Verderben gestürzt haben soll, las.

Noch wahrscheinlicher ist, daß der Bayernkönig die Erzählung um die sagenumwobene Jungfrau Loreley auf dem gleichnamigen Felsen bereits aus Kindheitstagen, in denen er bekanntlich viele deutsche Sagen las, kannte. Ob dem König aber bewußt war, welchen genauen Hintergrund die Loreley-Sage (die eigentlich keine ist) hatte, bleibt dahingestellt.

Uns aber ist es noch bis zum 31. Oktober 2004 möglich, die spannenden und auch humorvollen Hintergründe des „Mythos Loreley“ kennenzulernen. Das Mittelrhein-Museum in Koblenz bereitet zahl- und aufschlußreiche Spuren in Literatur, Musik, bildender Kunst, Film und Kitsch für uns so hervorragend auf, daß es eine wahre Freude ist, dem Faszinosum Loreley zu folgen.

Clemens Brentano und seine Erfindung der Gestalt „Lore Lay“ in der Ballade „Zu Bacharach am Rheine“ von 1801 markiert den Anfangspunkt einer bis heute anhaltenden Begeisterung für die zauber-hafte Frau. Zwar taucht der bei Reisenden bereits bekannte Felsen Loreley darin nur als Frauenname auf, doch nur wenige Jahre später sind Felsen und Frau in der Literatur eins geworden. Darüber hinaus entwickelte sich die romantische Erfindung Brentanos dank Aufnahme in eine Sammlung von Lokalsagen des Mittelrheins zu einer vermeintlichen „altdeutschen Rheinsage“. Von da an, so macht die Ausstellung deutlich, war kein Halten mehr: Immer mehr Literaten nahmen sich des Stoffes an, veränderten ihn und bereiteten der mittlerweile sich kämmenden blonden Jungfrau einen vielseitigen Aufstieg auf den Gipfel des Rheinfelsens.

Das Mittelrhein-Museum begleitet die historisch-literarische Entwicklung anhand zahlreicher originaler Schriften – darunter als kleine Sensation von Brentano die o.g. Ballade als Handschrift aus dem Bestand des Frankfurter Goethe-Museums -, die immer wieder geschickt mit Illustrationen bzw. Bildern abwechseln. So wird Literatur augen-fällig dargeboten und bietet den übergang zu den sich des Loreley-Stoffes auch annehmenden Künsten der Musik, Malerei und Skulptur.

Im Bereich der Musik sticht die Vertonung des Heinrich Heine-Gedichtes „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten..“ durch Friedrich Silcher im Jahre 1838 hervor. Sie fand rasch Eingang in das Standardrepertoire von Männerchören und ist bis heute eines der bekanntesten deutschen Lieder in Japan. Es ist ohne Frage ein besonderes Erlebnis, dieses Lied auf der Marienbrücke bei Schloß Neuschwanstein von einer Gruppe Japaner summen zu hören. Es treffen dabei zwei vermeintliche deutsche romantische Stränge direkt aufeinander. Während Friedrich Silcher vom Namen her kaum noch jemanden bekannt ist, gehören auch Franz Liszt, Robert Schumann, Clara Schumann, Felix Mendelssohn Bartholdy und Jacques Offenbach zu den Komponisten, die sich der verführerischen Zauberin Loreley in der einen oder anderen musikalischen Form annahmen. Eindrücke davon kann der Besucher per Knopfdruck zum Klingen bringen.

Übrigens nahm Richard Wagner den Faden von der Loreley als Hüterin des Nibelungenschatzes in seinem Rheingold (1854) auf, dessen fischschwänzige Rheintöchter motivisch mit der Loreley verwandt sind.

Das visuelle, teilweise farbige Erscheinungsbild der Loreley verdeutlicht die Ausstellung mit einigen Gemälden und Skulpturen aus dem Zeitraum von 1835 bis zur Jahrhundertwende. Hier ist vor allem das sich verändernde Frauenbild bis hin zum Klischee bemerkenswert. Zwar hätten sich zur Verdeutlichung noch mehr Beispiele angeboten, aber die für dieses Thema wichtigsten Künstler wie Carl Joseph Begas, Eduard Jakob von Steinle, Ludwig Schwanthaler und Moritz von Schwind sind vertreten. In Vorbereitung auf die Präsentation konnte im übrigen die bisher verschollen geglaubte Marmorskulptur „Nymphe“ von Schwanthaler im rheinischen Privatbesitz ausfindig gemacht werden. Aus der Werkstatt dieses Bildhauers stammt – und das ist auch für die Verbindung zu Ludwig II. sehr interessant – die Skulptur für den Loreley-Brunnen im Münchner Hofgarten, der dort 1853 Aufstellung fand.

Weitere Themen in der Ausstellung sind das Motiv des Felsens, die Verbindungen der „Germania“ zur „Loreley“, das Rheingold und die kritisch-parodierende Auseinandersetzung im 20. Jahrhundert. Auch die Rolle der Frauengestalt Loreley und des Felsens in der nationalsozialistischen Ideologie werden –leider nur kurz – behandelt, bevor die Aussicht auf den Kitsch und die moderne Kunst die kenntnisreiche und spannende Präsentation beenden.

Mit den zahlreichen Hörstationen, der Klang-Bild-Installation „Die Neue Lore Ley“ von Stephan von Huene (Achtung, der Schalter liegt versteckt auf dem Boden!) und der das Thema bestens beleuchtenden Objektauswahl ist dem Mittelrhein- Museum eine ohne Einschränkung zu empfehlende Ausstellung gelungen. Der Nutzwert der beispielhaften Erläuterungstafeln zu den Einzelobjekten stellt sich spätestens wenige hundert Meter weiter am Deutschen Eck ein: Wissen wir doch nun endlich, welche genauen Hintergründe das Lied hat, welches die Touristen aus Japan um einen herum fröhlich singen – nicht nur auf der Marienbrücke und diesmal im Schatten von Wilhelm II.

Abbildungen:

(oben)
Carl Joseph Begas (1794-1854): Die Lureley (Ausschnitt), 1835. Öl auf Leinwand, 124 x 136 cm.
Kreismuseum Heinsberg.
Begas‘ Loreley markiert den Beginn der langen Reihe von künstlerischen Interpretationen des Gedichtes von Heine.
Die „schönste Jungfrau“ lockt mit betörendem Gesang ihre Opfer in den Untergang.
Caspar Johann Nepomuk Scheuren (1810 – 1887): Lurleifelsen 1862. Farblithografie 60 x ca. 90 cm; Mittelrhein-Museum Koblenz.

Das Blatt ist Teil des großformatigen Prachtbandes „Landschaft, Sage, Geschichte und Monumentales der Rhein Provinz“, 1860 von Friedrich Wilhelm IV. in Auftrag gegeben und später von König Wilhelm I. seiner Gemahlin Augusta gewidmet.

Rund um ein zentrales Bildthema gruppieren sich, durch ornamentale Rahmengestaltungen voneinander abgegrenzt, einzelne Bildfelder.

1855 zum Professor der Düsseldorfer Akademie erhoben, gehören seine Veduten vom Rheintal zu den bekanntesten Blättern des 19. Jahrhunderts.

Die Präsentation zur Loreley ist zweigeteilt. Ergänzend zu der besuchten Ausstellung in Koblenz zeigt das „Historische Museum am Strom“ in Bingen den Teil „Ein Fels am Rhein“, der vor allem die geologischen Hintergründe und den mittelalterlichen Volksglauben rund um die Loreley behandelt. Ausdrücklich zu empfehlen ist der hervorragende Ausstellungskatalog, der fast alle Objekte - in Aufsätze thematisch wie bildlich eingebunden – abbildet: Mario Kramp und Matthias Schmandt (Hrsg.)

Ausstellungskatalog

Die Loreley
Ein Fels im Rhein – Ein deutscher Traum
214 Seiten mit 150 farbigen Abbildungen
Katalog-Handbuch
Format 24 x 30 cm ISBN 3-8053-3369-2
Museumsausgabe: 24,80 Euro
Buchhandelsausgabe: ca. 39,90 Euro (D) / sFr 69,40
www.zabern.de

Marcus Spangenberg am 13.10.2004